Willkommen und Abschied (Interpretation)

Johann Wolfgang von Goethe

Das von Johann Wolfgang von Goethe 1789 veröffentlichte Gedicht „Willkommen und Abschied“ gehört zur Gattung der Liebeslyrik. Es gilt als sogenannte Spätfassung, da es eine Veränderung in der letzten Strophe im Vergleich zu der ersten Fassung aus dem Jahr 1971 gibt. 1810 änderte Goethe noch einmal abschließend den Titel von „Willkomm und Abschied“ in „Willkommen und Abschied“.

Das Gedicht handelt von dem nächtlichen Treffen zweier sich liebenden Personen.

Aufbau des Gedichts

Das Gedicht besteht aus 4 Strophen mit jeweils 8 Versen. 

Strophe 1: Vers 1-8

Strophe 2: Vers 9-16

Strophe 3: Vers 17-24

Strophe 4: Vers 25-32

Pro Strophe finden sich 4 Kreuzreime mit dem Reimschema ababcdcd. Unregelmäßigkeiten in den Reimen sind in Strophe 3 beim a- und c-Kreuzreim und in Strophe 4 beim d-Kreuzreim vorhanden. Das verwendete Metrum ist der Jambus. Es wird aus der Perspektive des lyrischen Ichs geschrieben. Die verwendete Erzählzeit ist das Präteritum,  bis auf eine Ausnahme in Strophe 4 Vers 2, in der das Präsens verwendet wird.

Foto von Leon Seibert auf Unsplash

Die Interpretation des Gedichts “Willkommen und Abschied” von Johann Wolfgang von Goethe

Im Gedicht Willkommen und Abschied von Johann Wolfgang von Goethe geht es um das nächtliche Treffen des Lyrischen Ichs mit seiner Geliebten, wobei der Ritt des Lyrischen Ichs sowie der Abschied am nächsten Morgen eine wichtige Rolle spielen. Die ersten beiden Strophen stehen für furchtvollen Weg des Lyrischen Ich zu seiner Geliebten, der von seiner Sehnsucht zu ihr getrieben wird. Die dritte Strophe erzählt die intime, romantische Begegnung der beiden Liebenden. Die letzte Strophe handelt von dem innigen, aber auch schmerzvollen Abschied.

Strophe 1: Umschreibung der finsteren Umgebung als Symbol für Unsicherheit

Das Herz des Lyrischen Ichs „schlug“. Das ist ein Zeichen dafür, dass er voller Leben ist, vielleicht auch aufgeregt, denn er reitet „geschwind“. Dass „der Abend … schon die Erde“ wiegt, zeigt, dass es langsam dunkel wird, „an den Bergen“ ist es schon Nacht. An dieser Stelle verwendet Goethe die ersten Personifizierungen („Abend wiegt“, „hing die Nacht“). Der Nebel legt sich auf die Erde nieder, die Eiche wirkt wie „ein aufgetürmter Riese“. Jetzt wird eine Metapher verwendet. Alles ist gruselig, finster und unsicher. Er kann auf Grund der „Finsternis“ nicht sehen, was in „dem Gesträuch“ vor sich geht. Das ist eine Art Unsicherheit. Er fühlt sich beobachtet („hundert schwarze Augen“). 

Damit beschreibt er eine Angst, die viele Menschen teilen. Die Angst in der Dunkelheit, dass man sich im Dunkeln unsicher fühlt, weil man nicht weiß, wo die Gefahr lauert. Man vermutet sie überall, fühlt sich beobachtet, als ob die „Finsternis … hundert schwarze Augen“ habe. Die Finsternis ist ein Symbol für die Unsicherheit, welche er verspürt.

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Strophe 2:  Die Unsicherheit wird von der Vorfreude übermannt

Er sieht, wie der „Mond … kläglich aus dem Duft hervorschaut“- Mit „Duft“ ist der Nebel gemeint. Der Mond „sah“ (Personifizierung) „kläglich“ hervor. Das wirkt auf ihn vermutlich so, weil der Mond von Nebel umgeben ist. Er hat nicht wie sonst eine klare Sicht zum Mond, sondern alles ist verschleiert. Der Wind weht ihm „schauerlich“ um die Ohren. Das verstärkt noch das Gefühl des Grusels in ihm. Er schreibt, dass die „Nacht … Ungeheuer“ schuf. Das kommt ihm vermutlich so vor, weil er so achtsam ist und sich so sehr darauf konzentriert, was passiert, dass er sich schon Sachen einbildet. Doch er ist nicht so verängstigt, dass er zurückkehrt. Nein, sein Mut ist „frisch und fröhlich“. Das lässt vermuten, dass ihn an seinem Ziel etwas Großartiges erwartet, in seinen „Adern“ brennt „Feuer“. Dieses Feuer ist ein Symbol für Adrenalin. Er hat zwar Stress (Ungewissheit der Dunkelheit), jedoch ist es ein positiver Stress, denn am Ende erwartet ihn etwas Tolles, dem er mit Leidenschaft („in meinem Herzen welche Glut“) entgegenfiebert.

Strophe 3: Das intime Treffen der beiden Liebenden

An dieser Stelle nimmt das Gedicht eine Wende. Aus der Einsamkeit wird eine Zweisamkeit. Jetzt erzählt das lyrische Ich nicht mehr, sondern spricht jemanden direkt an („Dich sah ich“). Aus der Unsicherheit wird nun eine „milde Freude“, somit genau ein Gegensatz. Statt der „schwarzen Augen“ (1. Strophe) trifft ihn nun ein „süßer Blick“. Sein „Herz“ ist an ihrer Seite „ganz“. Es ist nicht mehr geteilt von der Unsicherheit und der Vorfreude, sondern nur noch von „milder Freude“ erfüllt. Es gibt für ihn nur noch sie, alles andere zählt nicht mehr. „Jeder Atemzug für“ sie. Dies zeigt seine große Liebe zu ihr, welche keine Grenzen kennt. Nun sieht er nur noch durch die rosarote Brille. Trotz Dunkelheit sieht er „ein rosafarbenes Frühlingswetter“. Er ist von „Zärtlichkeit“ umgeben. An dieser Stelle spricht er die „Götter“ an. Er hat es „gehofft“, aber nicht „verdient“, wie er meint. Dies lässt vermuten, dass es für ihn so schön ist, dass er nicht versteht, womit er so etwas Schönes verdient habe.

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Strophe 4: Der schmerzvolle Abschied

Es wird Morgen („Morgensonne“) und der Abschied kommt. Es ist sehr schmerzvoll für das lyrische Ich. Dies zeigt sich daran, dass es ihm das Herz „verengt“. Ihre Küsse waren eine Wohltat („Wonne“), doch nun ist es „Schmerz“. An dieser Stelle wird wieder ein Gegensatz verwendet. Nun bekommt auch die Überschrift des Gedichtes „Willkommen und Abschied“, in der auch ein Gegensatz steckt, einen Sinn. Erst verspüren sie die Freude des Wiedersehens („Willkommen“), nun den Schmerz der Trennung („Abschied“).

Als er geht, steht sie da und sieht „zur Erde“. Dies zeigt die Niedergeschlagenheit, denn sie lässt den Kopf hängen. Sie hat einen „nassen Blick“. Dies bringt ihre Traurigkeit verstärkt zum Ausdruck. Für ihn steht über der Traurigkeit das „Glück, geliebt zu werden“. Für ihn ist die kurze Zeit der Freude wichtiger, als die lange Zeit ohne sie. Er freut sich, dass er die schöne Zeit erleben durfte und weint nicht, dass sie vergangen ist. Er empfindet es als „Glück“ zu „lieben“. Hier spricht er wieder die Götter an, wahrscheinlich um ihnen für die Fähigkeit zu lieben zu danken.

Hintergrund von „Willkommen und Abschied“

Im jungen Alter von 21 Jahren führte Goethe eine intensive Beziehung zur Pfarrerstochter Friederike Brion aus Sesenheim, die etwa anderthalb Jahre dauerte. Goethe war es auch, der die Beziehung beendete, weil sie nicht Aufgrund ihres Standes nicht den gesellschaftlichen Ansprüchen entsprach, in denen Goethe sich bewegte. Literaturkritiker interpretieren, dass Goethe mit diesem Gedichte seiner Verliebtheit und dem Ende der Beziehung Ausdruck verleihen wollte. Dafür spricht vor allem, dass er die erste Fassung des Gedichts 1771, also im Alter von 22, veröffentlichte. Zudem wird das im Gedicht behandelte Treffen in Goethes Autobiographie „Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit“ geschildert, was die die biographische Interpretation unterstützt.

Foto von frank mckenna auf Unsplash

Das Gedicht erscheint mit anderen in dem “Sesenheimer Lieder” publizierten Gedichtband, welches die wechselhaften Höhen und Tiefen von Goethes Sturm-und-Drang-Zeit verdeutlicht.

Das Gedicht “Willkommen und Abschied” von Johann Wolfgang von Goethe (1789)

Es schlug mein Herz, geschwind zu Pferde!

Es war getan fast eh gedacht;

Der Abend wiegte schon die Erde

Und an den Bergen hing die Nacht

Schon stand im Nebelkleid die Eiche

Ein aufgetürmter Riese, da,

Wo Finsternis aus dem Gesträuche

Mit hundert schwarzen Augen sah.

 

Der Mond von einem Wolkenhügel

Sah kläglich aus dem Duft hervor;

Die winde schwangen leise Flügel

Umsausten schauerlich mein Ohr

Die Nacht schuf tausend Ungeheuer

Doch frisch und fröhlich war mein Mut

In meinen Adern welches Feuer!

In meinen Herzen welche Glut!

 

Dich sah ich, und die milde Freude

Floß von dem süßen Blick auf mich;

Ganz war mein Herz an deiner Seite

Und jeder Atemzug für dich.

Ein rosafarbenes Frühlingswetter

Umgab das liebliche Gesicht,

Und Zärtlichkeit für mich – ihr Götter!

Ich hofft es, ich verdient es nicht!

 

Doch, ach schon mit der Morgensonne

Verengt der Abschied mir das Herz

In deinen Küssen welche Wonne!

In deinem Auge welcher Schmerz!

Ich ging und du standst und sahst zu Erden

Und sahst mir nach mit nassen Blick:

Und doch welch Glück geliebt zu werden!

Und lieben, Götter, welch ein Glück!

 

Weiterführende Informationen zu Goethes “Willkommen und Abschied”

Willkommen und Abschied (Interpretation)
Wissen verdoppelt sich, wenn man es teilt.
admin

View Comments

  • Vielen Dank!
    Deine Interpretation hat mir einige Denkanstöße zu meiner eigenen gegeben. Auch ohne abzuschreiben, hab ich das Gedicht auf einmal direkt verstanden und konnte eine sehr ausführliche Interpretation dazu schreiben :)

    • Hallo No,

      es freut uns, dass Dir unsere Interpretation gefallen und geholfen hat.

      Viele Grüße
      Dein Hausaufgaben.de-Team

    • Hi Fzg,

      es freut uns, dass Dir unsere Interpretation gefallen und geholfen hat.

      Viele Grüße
      Dein Hausaufgaben.de-Team

    • Hallo Christian,

      Danke für Deinen konstruktiven Kommentar. Wir haben den Artikel aktualisiert und Deine Hinweise berücksichtigt.

      Viele Grüße
      Dein Hausaufgaben.de-Team

  • Ich habe es so in der Form gemacht und meine Deutschlehrerin hat gesagt, dass es falsch sie, da das eine Nacherzählung sei und sie eine Inhaltsangabe gefordert hat!

  • Alta so eine interpretation öffnet mir die Augen. Ich schreibe gleich eine Deutscharbeit und da müssen wir eine Interpretation schreiben. da ich nur dieses Gedicht kenne und auch weiß was da vor kommt und mit deiner Interpretation kann ich meine eigenen Regeln aufbauen ;)

    sry fúr viele wiederholung oder Tippfehler/Grammatikfehler.

    • Hi EyChuwak,

      es freut uns, dass Dir unsere Interpretation gefallen und geholfen hat, Deine eigene Interpretation zu finden.

      Viele Grüße
      Dein Hausaufgaben.de-Team

  • Christian halts maul du opfer! Mach deine interpretation doch selber du lutscher, wenn es dir nicht gefällt ;)

  • dank deines Beispiels habe ich es geschafft meine Deutscharbeit NICHT zu verhauen. vielen dank :)

    • Hallo F.,

      wie schön, dass wir Dir helfen konnten, Deine Deutscharbeit zu bestehen.

      Viele Grüße
      Dein Hausaufgaben.de-Team

  • Es fehlen mehrere WICHTIGE Dinge wie die Kadenz oder die rhetorischen Stilmittel. Uns wird man gelehrt, dass dies zwie besonders wichtige Merkmale einer Gedichtsinterpretation ist ... aber trotzdem Daumen hoch ;)

  • Also diese Interpretation ist totaler Quatsch! Goethe schreibt hier über sein heimliches Treffen mit Charlotte Buff das Lyrische Ich ist er selbst wie er in der Nacht in den Wald reitet um sie treffen...
    Denk mal darüber nach

    • Hallo Jay,

      danke für Deinen konstruktiven Kommentar. Wir haben den Artikel aktualisiert und Deine Hinweise berücksichtigt. Du findest jetzt einen Abschnitt zum Hintergrund des Gedichtes, in dem wir die Liebesgeschichte zwischen Goethe und der Pfarrertochter Frederike Brion erwähnen.

      Viele Grüße
      Dein Hausaufgaben.de-Team

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